Das zehnjährige Mysterium um das Schicksal der Trierer Studentin ist für die Behörden damit abgeschlossen. „Alles ist ausermittelt", sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Peter Fritzen.
„Das könnte auf eine Handgreiflichkeit hindeuten"
Aber ist dem wirklich so? Zumindest Detlef Böhm sieht das anders. Böhm ist die anwaltliche Vertretung der Mutter von Tanja Gräff. Der Jurist macht der Polizei schwere Vorwürfe: Von „ausermittelt" könne keine Rede sein, sagt Böhm im Gespräch mit FOCUS Online. Im Gegenteil sei wichtigen Hinweisen nur unzureichend nachgegangen worden.
„Einer von Tanjas zwei Ohrringen ist zum Beispiel nie gefunden worden, das könnte auf eine Handgreiflichkeit hindeuten", sagt der Anwalt. Außerdem sei neben den sterblichen Überresten der Studentin ein silberfarbenes Zigarettenetui gefunden worden, das ihr nicht gehörte. Wie das Etui dorthin gelangte, ist nach wie vor unklar.
Mysteriöser Anrufversuch
„Generell gibt es in der Ablaufzeit von 03:45 bis 04:13 Uhr viele relevante Abläufe, die nicht geklärt sind", kritisiert der Anwalt. In diesem Zeitraum befand sich Tanja an einem Bierstand und unterhielt sich mit einer Gruppe junger Leute, „die ihr wohl zugehörig war", wie Böhm es formuliert. Danach verliert sich ihre Spur.
Da ist etwa die Frage nach dem mysteriösen Anrufversuch, der von Tanjas Handy ausging: Um 03:59 Uhr klingelte das Mobiltelefon auf einer unbekannten, nicht eingespeicherten Nummer an. Die Nummer gehörte einem jungen Mann. Die Polizei habe ausgiebig den Freundeskreis des Mannes beleuchtet, sagt Böhm – mehr aber auch nicht. Weil die Nummer nicht im Handy eingespeichert war, geht Böhm davon aus, dass eine andere Person als Tanja in diesem Moment das Telefon benutzt habe. Besagte Person ist aber nie gefunden worden.
„Das verstehe ich nicht, warum man da keine Querverbindungen sucht", sagt Böhm. „Da muss ich doch weiter rangehen. Gibt es zum Beispiel noch weitere Freunde, die der junge Mann nicht genannt hatte? Das passt genau in diesen Zeitrahmen!"
Für die Mutter bleibt nur Ungewissheit
Die Kommunikation mit der Polizei sei ebenfalls schwierig gewesen, beklagt sich der Anwalt: „Ich hatte schon das Gefühl, dass man nicht mit offenen Karten gespielt hat." Ein Informationsfluss von den Ermittlern zu ihm habe nicht existiert. Bei Verfahren dieser Art sei das aber keine Seltenheit, fügt Böhm hinzu.
Tanjas Familie und ihrem Anwalt bleibt theoretisch noch die Möglichkeit, Beschwerde gegen die Entscheidung einzulegen – die Erfolgsaussichten wären aber gering. „Da müsste schon ein guter neuer Hinweis kommen, damit wir da Chancen haben", sagt Böhm, der deshalb von einer Beschwerde absehen will.
Während für den Anwalt ein Fall bleibt, der nie abgeschlossen wurde, bleibt für die Mutter von Tanja Gräff die Ungewissheit: Was mit ihrer Tochter in der Nacht des 7. Juni 2007 geschehen ist, wird sie nie erfahren. Böhm: „Da ist es für Tanjas Mutter schwer, einen Abschluss zu finden."
Im Video: Acht Meter von Hochhaus entfernt – hier fand die Polizei Tanja Gräffs Leiche