Wer ist arm in Deutschland? Hungern muss hierzulande niemand mehr. Doch es gibt unterschiedliche Auffassungen davon, wer in der Gesellschaft zu den „Abgehängten" gehört und wer nicht. Armutsforscher sagen: Ob jemand arm ist, hängt auch davon ab, wie viel die anderen verdienen. Offiziell gilt eine Person als arm, wenn sie weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens hat (Einkommensarmut).
Die Armutsquoten der Bundesländer
Doch dabei wird nicht beachtet, dass das Leben in den Städten und Regionen Deutschlands unterschiedlich teuer ist. Wer zum Beispiel in Berlin 2000 Euro verdient, kann sich damit deutlich mehr leisten, als jemand, der mit demselben Geld in München, der teuersten Stadt Deutschlands, über die Runden kommen muss. Mit anderen Worten: In München ist das Geld weniger Wert, es verfügt über weniger Kaufkraft.
Hinzu kommt, dass die Armut weiter zunimmt, wenn die Einkommen der Reichen stärker steigen als die der übrigen Bevölkerung. Menschen mit niedrigem oder mittlerem Einkommen bekommen dann zwar auch mehr Geld. Aber während sie sich vielleicht eine Mahlzeit mehr im Monat leisten können, springt für die Reichen gleich ein ganzer Wochenend-Trip heraus - mit Vollpension.
Städte deutlich stärker von Armut betroffen als bisher gedacht
Um ein besseres Bild zu bekommen, verglich das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) deshalb Einkommen in allen deutschen Städten und Landkreisen jeweils für sich, quasi die Nachbarn mit ihren Nachbarn. Diese Zahlen setzten die Experten ins Verhältnis zu den Lebenshaltungskosten in jeder Stadt und in jedem Kreis und ermittelten so die Kaufkraftarmut.
Das erschreckende Ergebnis der Studie mit dem Titel „Regionale Armut in Deutschland. Risikogruppen erkennen, Politik neu ausrichten": Bewohner der deutschen Städte sind deutlich stärker von Armut betroffen als bisher gedacht, weil dort die Kaufkraftunterscheide besonders groß sind. In Köln etwa ist demnach jeder vierte Einwohner arm, in Hamburg trifft es jeden fünften!
Einkommensarmut und Kaufkraftarmut im Vergleich
Weitere Überraschung: Menschen im Westen sind weitaus stärker betroffen, als es die offiziellen Einkommens-Statistiken nahelegen. Ihre Mitbürger in Ostdeutschland verdienen zwar insgesamt weniger. Doch dafür ist das Leben dort auch günstiger.
So viel müssen Sie verdienen, um nicht arm zu sein
Außerdem können die Experten jetzt genau sagen, welches Nettoeinkommen Bürger verdienen müssen, um an ihrem Wohnort nicht zu den Armen zu zählen. In einer Stadt wie Düsseldorf ist man den IW-Experten zufolge mit einem Nettoeinkommen von weniger als 1013 Euro arm. In München ist schon derjenige „abgehängt", der nicht mindestens 1129 Euro verdient. In Frankfurt am Main sind es 1064 Euro. Im Altmarkkreis Salzwedel und im Landkreis Stendal genügen hingegen 837 Euro.
Armuts-Top 10 nach Kaufkraft
Sind Sie arm?
Ob Sie mit Ihrem Einkommen in Ihrer Stadt oder ihrem Landkreis zu den Armen zählen, sehen Sie hier.
Übrigens: Die Daten, mit denen das IW rechnete, beziehen sich auf das Jahr 2014, denn nur bis dahin konnten die Forscher umfassende Daten ermitteln. Inzwischen hat sich die Situation vermutlich weiter verschlimmert.
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