Diesel-Fahrverbote sind noch nicht vom Tisch. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) will in Dutzenden deutschen Städten Diesel-Fahrverbote durchsetzen. Die Chancen dafür stehen nach einem wegweisenden Urteil des Landgerichts Stuttgart gut . Denn die auf dem Diesel-Gipfel beschlossenen Maßnahmen reichen nach Ansicht von Umweltverbänden und dem Umweltbundesamt nicht aus, um das Stickoxid-Problem in den betroffenen Innenstädten zu lösen: Software-Updates für eine bessere Abgasreinigung und Umtauschprämien für ältere Diesel senken nach Berechnungen des Umweltbundesamts (UBA) die Belastung einiger Innenstädte mit als gesundheitsschädlich eingestuftem Stickoxid um bis zu sechs Prozent. Das reiche aber nur in etwa 20 betroffenen Städten, um die Stickoxid-Werte unter die Marke von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel zu drücken, teilte das Ministerium am Mittwoch mit. Damit drohen weiterhin Diesel-Fahrverbote.
Bei seinen Berechnungen ging das UBA laut Mitteilung davon aus, dass zwischen 3,5 und fünf Millionen Besitzer neuerer Diesel der Abgasnormen Euro 5 und 6 das freiwillige, aber umstrittene Update an der Motorsoftware vornehmen lassen. Die Experten rechneten mit einer Minderung des Stickoxid-Ausstoßes zwischen 15 und 25 Prozent durch die Updates.
Diesel-Fahrverbote drücken Fahrzeug-Restwerte
Zwar werden die drohenden Diesel-Fahrverbote zunächst zeitlich und örtlich begrenzt sein. Doch für den Restwert von Diesel-Fahrzeugen, der bereits seit längerem im Sinkflug ist , sind die Signale äußerst ungünstig, zumal die Diesel-Debatte kaum noch sachlich geführt wird und beispielsweise erhebliche Zweifel am Sinn von Umweltzonen ignoriert werden .
Automarkt-Experte Professor Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen erwartet einen regelrechten Diesel-Absturz: "Nach dem Gutachten des Umweltbundesamtes werden Fahrverbote für Diesel-Pkw in deutschen Großstädten nahezu unausweichlich. Damit dürften in den nächsten Monaten die Verkäufe von Diesel-Pkw in Deutschland ihre rapide Talfahrt fortsetzen. Mehr als 95 Prozent aller derzeit angebotenen neuen Euro 6 Diesel-Pkw bergen das hohe Risiko, dass sie ebenfalls bei Fahrverboten mit betroffen sind. Nicht nur Privatkunden, die im Juli gerade mal noch 22 Prozent ihrer Neuwagen mit Diesel-Motor kauften, sondern auch die wichtige Diesel-Kunden-Gruppe der Unternehmen und Vermieter werden darauf reagieren. Großunternehmen können sich es nicht erlauben, dass Firmenwagen bei Fahrverboten in Großstädten stillstehen", so Dudenhöffer.
So unterschiedlich entwickeln sich die Preise
Bei der Preisentwicklung gibt es große regionale sowie Modell-spezifische Unterschiede. Das hat eine Untersuchung von Deutschlands größtem Automarkt mobile.de für das FOCUS-Magazin ergeben . Vor allem in Städten, in denen Fahrverbote diskutiert werden, sind die Preise für Dieselautos deutlich gefallen. Besonders stark könnte der Druck im Gebrauchtwagenmarkt ausfallen, auch durch die aktuellen Umwelt- und Abwrackprämien diverser Hersteller . "Die hohen Prämien für den Kauf von Neuwagen machen den Kauf junger Gebrauchtwagen weniger attraktiv. Daher muss mit einem Preisrutsch im Segment junger Gebrauchtwagen gerechnet werden. Für die Autohändler und Leasinggesellschaften ist dies eine deutliche finanzielle Belastung, da Wertberichtigungen im Bestand vorgenommen werden müssen", meint Automarkt-Experte Dudenhöffer.
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Vorteile hat die aktuelle Entwicklung freilich für Autokäufer, die auf dem Land wohnen oder in kleineren Städten, wo keine Diesel-Fahrverbote drohen. Diese könnten vom Preisrutsch profitieren. Allerdings ist Vorsicht geboten, denn auch eine Abschaffung der unterschiedlichen Besteuerung von Benzin- und Dieselkraftstoff - real also eine Steuererhöhung für Diesel-Fahrer - wurde in Berlin bereits erwogen. Die würde dann pauschal alle Diesel-Fahrer in allen Regionen Deutschlands treffen.
Steuererhöhungen für alle Diesel-Fahrer möglich
Klar ist: In den kommenden Jahren werden verstärkt Leasing-Rückläufer aus dem Firmenwagen- und Vermieter-Geschäft auf den Markt geworfen. Dieses Risiko sieht auch Restwert-Experte Dieter Fess von Bähr & Fess Forecasts: "Das Problem liegt in der Masse von Diesel-Firmenwagen, deren Fahrer das Vermarktungsrisko nicht tragen und die mit großzügigster Ausstattung und reichlich Laufleistung auf eine deutlich kleinere Nachfrage am Gebrauchtwagenmarkt stoßen. Dies verursacht den meisten Druck auf Diesel-Restwerte - und das nicht erst seit gestern. Diese Dynamik haben wir schon seit Jahren in unserer Prognose-Methodik zu Lasten des Diesel-Restwertes eingepreist. Die aktuelle Diskussion verunsichert den Privatkäufer allerdings noch mehr und lässt ihn einen Bogen um den Diesel machen, was die Restwerte entsprechend unter Druck bringt", so Dieter Fess.
Umrüstung: Teuer und kompliziert
Um Fahrverbote zu vermeiden, werben Umweltverbände für eine Hardware-Nachrüstung für Diesel-Fahrzeuge - selbst bei der großen Masse der Fahrzeuge, die überhaupt keine Abgas-Manipulation aufweisen. Ausschließlich für Fahrzeuge des VW-Konzerns wurden bislang verbotene Abschaltsysteme nachgewiesen - bei den anderen Herstellern bewegen sich die Abgas-Werte trotz hoher Überschreitungen in bestimmten Fahrzuständen weiterhin im legalen Bereich.
Die Messungen, die unter anderem von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) durchgeführt werden, belegen damit entgegen vieler Medienberichte eben keine Missachtung der offiziellen Stickoxid-Grenzwerte, denn die müssen erst ab September auch im realen Verkehr besser eingehalten werden. Aus diesem Grund sperren sich auch viele Hersteller, vor allem die nicht-deutschen, gegen Umrüstungen - selbst wenn sie in vielen Fällen erheblich schlechtere reale Abgaswerte haben als deutsche Autobauer .
Hype um Stickoxide: Kommentar zum Diesel-Gipfel
Der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) fordert trotzdem eine technische Umrüstung von Millionen Dieselfahrzeugen. Es sei wichtig, "dass die Autoindustrie die einzig sinnvolle Lösung für Umwelt und Gesundheit der Bevölkerung zahlt: Den Umbau der Fahrzeuge. Diese Hardware-Lösung kostet pro Fahrzeug rund 1500 Euro", so der VCD. Das Problem: In dieser Summe sind die Arbeitszeit-Kosten für den Einbau nicht enthalten. Gegenüber FOCUS Online konnte ein Hersteller der Nachrüst-Systeme, die Firma Twintec, bislang keine genauen Kosten der Umrüstung für bestimmte Modelle benennen. Die Autohersteller lehnen bislang eine Hardware-Umrüstung geschlossen ab.
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